Onkel Günter checkt das WM-Quartier

 

Es war natürlich mal wieder Trollingers beknackte Idee gewesen. Seit drei Stunden cruisten wir nun schon durch die Hauptstadt und Troll, der vollsteife Patient am Lenkrad, hatte immer noch keinen blassen Schimmer von der richtigen Richtung. „Muss hier irgendwo sein, Jungs“, kam Troll kleinlaut daher. Delle rollte die Augen, Waldi hatte sich ohnehin schon vor einer Stunde neben mir auf der Rückbank waagegerecht gemacht. Der Sportsfreund hatte noch vom Ligapokalfinale gestern Abend die ganz enge Mütze auf. Die Schalker Crew mit Klausi Fischer als Teamleiter hatte ordentlich Gas gegeben, bis auf Rudi Assauer natürlich, noch Fragen zum Thema: Veltins alkoholfrei? Ich dagegen war extrem unterhopft, war nämlich gestern Abend mit der Gattin bei Beckmanns eingeladen gewesen. Die übliche Ödnis: Raclette und Scharade. Teufel auch, dabei hatte sich Trollingers Vorschlag am Telefon extrem gediegen angehört. Mit der Clique im deutschen WM-Quartier im Grunewald einchecken und das ganze Wochenende penetrant die Bettentester raushängen lassen. Rechnung direkt an die Otto- Fleck-Schneise, hehe. Nur dafür mussten wir die Hütte erstmal finden. Schön blöd , dass Troll eben vollstramm ins Navi geascht hatte, die verdammte Blechstimme lotste uns seitdem durch Mittelitalien. Sei’s drum, ich genehmigte mir ein Blechbrötchen aus der Kühltasche und gab mir den Kolben schwedisch, dann war plötzlich Gefahr im Verzug. Die Jungs von der Trachtengruppe Grün-Weiß fuhren parallel. Perfektes Timing, dass Trollinger ausgerechnet jetzt die zwischen seinen Flossen geparkte Flasche Möt hochholte. „Flasche runter“ zischte Delle zwischen den Zähnen: „Wir haben staatlichen Begleitservice“. Troll checkte nichts mehr. „Wasssagstsu?“ Prösterchen und die Kelle für Trollinger. Zehn Sekunden später beugte sich ein Schnauzer durchs Fenster und wedelte mit seiner Hundemarke. „Dann hätte ich doch ganz gerne mal den Führererschein gesehen“ machte der Kollege einen auf Staatsschützer. Alles kein Problem, dachten wir, war aber doch ein Problem. Führerschein hatte Troll nämlich nicht mehr, schon seit der WM 1982 in Spanien nicht. Für den Kameraden war der Abend natürlich gelaufen. Und auch für uns war klar, jetzt mussten wir uns als echte Freunde beweisen. Waldi winkte: „Taxi!“ Cooler Move vom Kollegen, eine Minute später saßen wir bereits im Bezahlwagen und grinsten: „Trollinger, der Vollspaten“. Und unfassbare drei Minuten später parkten wir am Hotel. Nicht zu fassen, der Halbpräsident war tatsächlich fünfzehn Mal an der Einfahrt vorbeigegurkt. Sei es drum, wir checkten ein. Natürlich clever und smart. Waldi führte die Verhandlungen mit dem Schergen an der Rezeption: „Wir sind das Hotelkompetenzteam von Jürgen Klinsmann. Die Juniorsuite bitte.“ Der Vollvogel kapierte natürlich gar nichts. „Wie waren nochmal ihre Namen?“ Waldi buchstabierte zum Mitschreiben: „Mül-ler-Wohl-fahrt“. Dann Delle: „Skib-be“. Und ich: „Wil-fried-Moh-ren“. Und damit der devote Liftboy nicht auf dumme Gedanken kam: „Rechnung bitte an den Deutschen Fuballbund, die Kreditkarte von Herrn Zwanziger“. Immerhin das konnten wir für Troll noch tun. Anschließend ging es unter großem Hallo in die Hotelbar. Dann machten wir Alarm, immer an der Karte entlang, auf den Deckel von Onkel Jürgen. „Ihr tankt aber ganz schön, Jungs“, der Barkeeper sparte nicht mit Komplimenten. „Die letzten, die hier so zugelangt haben, waren Owomoyela und Ballack während des ConfedCups“. Wir nickten geschmeichelt. „Wie sieht es aus, Jungs?“ kam Waldi um die Ecke, „ab aufs Zimmer und Rocco bei der Arbeit zuschauen?“ Plötzlich kam ein Wolle Wichtig um die Ecke. „Meine Herren“, mopste sich der Geselle, „Die Delegation von Herrn Klinsmann war bereits hier. Da stellt sich mir doch die Frage, wer sind Sie?“ Gab’s doch gar nicht! Hatte Jürgen tatsächlich die Frisur zum Bettentesten vorbeigeschickt? Wir zuckten mit den Achseln. „Dann mache ich mal die Rechnung fertig“, kommentierte der Hoteldirektor eisig. „Und zwar für das komplette Hotelkompetenzteam“. Wir standen ratlos herum, als der Barkeeper leise pfiff. „Hier entlang, Jungs!“ Sagenhaft, eine Tür zum Hof! Ganz großer Sport! Wir machten uns in Weltrekordzeit dünne. Der Barkeeper legte grüßend die Hand an die Stirn und lachte: „Bis zur WM, Jungs!“. Grüße zurück von Skibbe, Mohren, Müller- Wohlfahrt, dem einzig wahren Hotelkompetenzteam.                                                Philipp Köster


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