Frankfurt WM-tauglich? Von wegen!

 

Die Waage war kaputt! 89 Kilo? Konnte nicht sein, niemals. Onkel Günter hatte in den letzten Wochen eisern Maß gehalten. 89 Kilo! Moby Dick in schwerer See. Wahrscheinlich hatte mir das Konterbier von heute morgen die Bilanz verhagelt. Die Funkgurke riss mich aus der Altersdepression. „Mein Lieber“, das war unverkennbar Trollingers öliges Timbre. „Heute Abend um sieben Uhr am Waldstadion Frankfurt, ich hab fürs Endspiel fünf Plätze an den Buffetinseln klargefahren!“ Ich stöhnte genervt, Confetti Cup, goldene Ananas, außerdem war ich auf Diät. Später am Stadion ging es auf dem kurzen Dienstweg in den Wichtigbereich. „Wer spielt denn?“, fragte Waldi, Trollinger zuckte mit den Achseln. „Brasilien?“ War auch wumpe, wir schmissen gleich mal den Hasenradar an. Aber wieder nur die üblichen Verdächtigen, hauptsächlich Krawatten aus der DFL. „Negativ“, knurrte Delle düster und wurde plötzlich hektisch: „Köpfe runter, Jungs!“ Wir tauchten blitzschnell ab. „Keinen Muckser“, zischte der Kompanieführer. „Helmer und Filali im Anmarsch.“ Dann entspannte sich Delle, Tommy und seine Reisebegleitung hatten sich ein anderes Wirtstier gesucht. Der arme Rummenigge! „Kalle, wie fühlst du dich?“ Helmers Opener für jede Lebenslage, großes Emokino. Wir hingegen richteten die Hosenbeine. „Noch mal Glück gehabt“, grinste Waldi. Nun aber los, am Tresen hatten wir jede Menge junges Gemüse geortet. „Wieder ein Fall für die Fantastischen Vier“, kommentierte Waldi, Delle und ich sicherten den Rückraum, Trollinger kam ächzend hinterher. Und wer sagte es denn, an der Bar gab es großes Hallo für die Königstiger. „Sind Sie nicht der Kerl aus dem Fernsehen?“, gurrte eine. Ich nickte geschmeichelt und winkte dem Barkeeper, bitte einen Schlüpferstürmer für die Dame. Aber dumm gelaufen, der Rassehase meinte Delle. Drauf gepfiffen, die Mamsell sah eh danach aus, als äße sie die Kiwi mit dem langen Löffel, außerdem hatte die Braut drei Stühle weiter sicher auch kein Interesse an einem Rhetorikseminar. Prädikat: betanzbar. Doch noch vor dem ersten Achtungserfolg kam Bewegung in die Truppe. Waldi hatte Neuigkeiten: „Mitkommen, Männer! Veronika kann uns aufs Stadiondach bringen. Spitzenaussicht!“ Veronika war offenbar die Thekenkraft, mit der Waldi gerade bilaterale Verhandlungen aufgenommen hatte. Gerd und ich blickten uns an: Warum nicht? Würde schon nichts schiefgehen, wie beim Pokalfinale neulich, als wir in der Nacht vor dem Spiel die Sprinkleranlage komplett geschrott… aber anderes Thema. Es bildetet sich fix eine Reisegruppe, aus unserer Clique blieb nur Troll bei seiner alten Freundin Maria Cron, vier Mädels waren in der Crew, allesamt Beine bis zum Collier und beeindruckende Haptik. Die DFL-Posse schaute schon neidisch rüber. Jeder aus unserer Einheit griff sich noch schnell eine Flasche Möt, dann ging es los. Veronika lotste uns ins Dachgestänge des Stadions. Eine schmale Treppe, die Damen marschierten tuschelnd vorneweg, Waldi hinterher und zeigte ein beeindruckendes Klempner- Dekolletee. Auf dem Zeltdach angekommen, gab es für die ganze Crew feinsten Perlwein aus der Flasche. „Seht mal her“, johlte Waldi, „elastisch!“ In der Tat, da ging einiges, sprungmäßig. Die ganze Crew hüpfte ausgelassen über das Zeltdach. Delle, der alte Kreismeister, natürlich gleich die Katschew-Grätsche ausgepackt, das machte schwer Eindruck bei den Damen. Konnte ich auch. „Aufgepasst Mädels, jetzt kommt Onkel Günter!“ Ich nahm Anlauf und machte den dreifach Toeloop. Plötzlich ein merkwürdiges Geräusch. Ratschschsch. Schöne Bescherung, ein fetter Riss mitten in der Plane. Wir linsten hindurch, hui, das ging tief hinunter. „Von wegen WM-tauglich“, mopste sich Waldi. Plötzlich rutschte das Urviech mit Schmackes ins Loch, zappelte wie ein Maikäfer. Wir bückten uns ab und zogen Waldi mit vereinten Kräften wieder ins Freie. Delle grinste: „Da wird es schön reinregnen. Die Kollegen vom OK können schon mal ein paar Eimer an der Eckfahne aufstellen!“ Schon fielen die ersten Tropfen. „Alle Mann ins Trockene“, kommandierte Delle, wir traten den Rückzug an. Was für eine Pleite. Delle moserte: „Günter, du bist einfach zu dick.“ Kaum wieder im Wichtig- Bereich angekommen, genehmigte ich mir einen Doppelten. Plötzlich eine wohl bekannte Stimme von hinten: „Günter, wie fühlst du dich?“ Danke der Nachfrage. Wie man sich so fühlt mit 89 Kilo.                                                                                                                                                                                        Philipp Köster

 

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