Wie Ballack den Elfer der Herzen verschoss

Das musste man ihm lassen, Der Mann war pünktlich. Onkel Jürgen machte für uns den Chauffeur am Flughafen in Seoul. „Hier entlang, Jungs! Die Kollegen haben drüben geparkt!“ Nicht im Ernst, die Kollegen? Höllenhunde, da hockten tatsächlich die patentierten Spaßbremsen Olli und Jogi und winkten linkisch aus dem Toyota. Delle hatte sofort den betonharten Hals und zischte mir zwischen den Zähnen zu: „Schlechter Witz, wie? Ich flieg doch nicht nach Seoul, um mit denn Herren Valium und Dolormin in der Eckkneipe zu hocken und Bananensaft zu trinken!“ Recht hatte er. War ohnehin ein Wahnsinn, diese Reise. Zwei Tage Kurztripp nach Seoul, bloß um die Weihnachtsfeier der Adlertruppe nicht zu verpassen. Andererseits hatte uns Röhnemeyer heiß gemacht. „Geishas ohne Ende und Reisschnaps aus der Tüte“, hatte der Kollege gestern Nacht ins Phone geröhrt. Wir hatten sofort die Ticks gebucht, natürlich Business, ganz bequem. Aber war mal wieder Satz mit X, wer hat natürlich neben uns den Fensterplatz 3 A geparkt? Die parfümierte Friseuse vom ollen Kahnemann. „Was macht die Dörrpflaume denn hier?“, raunte Meister Waldi entsetzt. Der arme Mann hatte doch tatsächlich die 3 B, Ollis getunter Goldschatz würde den Kollegen bis Seoul schön zutexten. „Tja, Waldi“, grinste Delle, „mal verlierst du und mal gewinnen die anderen!“ Aber nun konnte lo-hos gehen! Gemeinsam hoben wir den vollstrammen Trollinger in den Kofferraum und fuhren stramme Kolonne in Richtung Mannschaftshotel. Toyota 1 mit Jürgen, Delle, Onkel Günter und Troll in der Ablage, Toyota 2 mit Bierhoff als Driver, dahinter die Frisur und Waldi. Erst alles slow, dann war plötzlich Großer Preis von Nordkorea angesagt. „Festhalten, Jungs!“, johlte Jürgen, trat die Kiste hoch auf 190 Stundenkilos, und ganz geschmeidig zogen wir über den Standstreifen an den Woks vorbei. Delle linste durchs Rückfenster und vermeldete grinsend: „Bierhoff fährt Standgas, kommt nicht nach.“ Ein Moment der Andacht und Stille: der arme Waldi, wir konnten nichts mehr für ihn tun. Zehn Minuten später brachte Jürgen den Wagen vor dem Hotel zum Stehen, und wir hoben Trollinger aus dem Kofferraum. Endlich wurde der Kollege wach und knurrte: „Gumo.“ Wir bückten uns ab, der Jetlag, es war schon sieben Uhr abends, keine Rede mehr von Gumo. Als wir die Treppe zum Foyer hochstiefelten, kam uns bereits Novize Shaggy entgegen, leere Kolben in der Pfote und dicht bis unter die Locke. „Scheff, die Getränke sind schon alle! Aber Kevin und Arne sind schon unterwegs zur Tanke!“ Jürgen grinste: „Alle ziehen mit! Das nenne ich Teamspirit!“ Der Bundestrainer drückte uns zwei Schlüssel in die Hand. „Eure Zimmer, Jungs, macht euch frisch, auch untenrum.“ Die Mahnung ging natürlich an Delle, Mr. Langzeit-Unterbuchse 2004. Drei Stunden später waren die Flöten frisch frisiert, und die Clique schlug mit großem Hallo und hoher Fünf in der Suite von Mike Ballack und der Weinbrand-Posse auf. Die Stimmung war bereits scheckheftgepflegt, kein Wunder, Shaggy und die krassen Jungs vom VfB hatten in der Hotelbar ein ganzes Rudel hübscher Puppen klargefahren. „Klasse Optik“, murmelte da nicht nur Mike anerkennend. Es konnte also losgehen. „Erst betäuben“, rief Jürgen und hob die schwappende Flasche, die ganze Bande stand begeistert bei: „Dann bestäuben!“ Wir nickten anerkennend, die Jungs hatten gelernt. Während DJ Timo die Regler hochzog, war für die Clique mal wieder Zeit für die traditionelle Kicker-Rangliste. Zwei Rassehasen am Fenster hatten es uns angetan. „Die linke Maus ist Internationale Klasse“, erläuterte Delle, „allerhöchstens im Blickfeld“, moserte Waldi, wir einigten uns schließlich, die Perle war definitiv „im weiteren Kreis“. Während Shaggy, Engelchen und die anderen Neuen die Kornschranke passierten, stiefelte ich zu den beiden Tanten ans Fenster. Gleich ein guter Opener von Onkel Günter: „Konichiwa, Mädels!“ Die Perlen ging sofort steil. Aber wer kam natürlich gleich von hinten? Schlaumeier Ballack hauchte mir ins Ohr: „Günter, das hier ist Seoul. Die Mädels verstehen kein Wort.“ Und dann kam Käpt‘n Mike geschmeidig aus der Deckung, auf englisch natürlich. „You are so nice! When I play tomorrow against Korea, I‘m only thinking of you! And when I will shoot a penalty, it‘s a penalty to your heart!“ Der alte Fuchs, warum fiel mir sowas nie ein? Ein Elfmeter ins Herz! Und Ballack war so verdammt treffsicher.